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Doch da ich Ihnen einmal von der Zeit erzaehlen soll, in der ich mich so gerne in dieser
Weste sah, will ich mir auch jene Tage auf alle Weise vergegenwaertigen. Kommen Sie!
selbst der Platz, an dem wir so oft von unsern Jagden und Spaziergaengen ausruhten,
soll dazu beitragen."
Sie gingen, und auf dem Wege sagte Therese zu ihrem Begleiter: "Es ist nicht billig,
dass Sie mich allein reden lassen; schon wissen Sie genug von mir, und ich weiss noch
nicht das mindeste von Ihnen; erzaehlen Sie mir indessen etwas von sich, damit ich Mut
bekomme, Ihnen auch meine Geschichte und meine Verhaeltnisse vorzulegen. "--
"Leider hab ich", versetzte Wilhelm, "nichts zu erzaehlen als Irrtuemer auf Irrtuemer,
Verirrungen auf Verirrungen, und ich wuesste nicht, wem ich die Verworrenheiten, in
denen ich mich befand und befinde, lieber verbergen moechte als Ihnen. Ihr Blick und
alles, was Sie umgibt, Ihr ganzes Wesen und Ihr Betragen zeigt mir, dass Sie sich Ihres
vergangenen Lebens freuen koennen, dass Sie auf einem schoenen, reinen Wege in
einer sichern Folge gegangen sind, dass Sie keine Zeit verloren, dass Sie sich nichts
vorzuwerfen haben."
Therese laechelte und versetzte: "Wir muessen abwarten, ob Sie auch noch so denken,
wenn Sie meine Geschichte hoeren." Sie gingen weiter, und unter einigen allgemeinen
Gespraechen fragte ihn Therese. "Sind Sie frei?"--"Ich glaube es zu sein", versetzte er,
"aber ich wuensche es nicht."--"Gut!" sagte sie, "das deutet auf einen komplizierten
Roman und zeigt mir, dass Sie auch etwas zu erzaehlen haben."
Unter diesen Worten stiegen sie den Huegel hinan und lagerten sich bei einer grossen
Eiche, die ihren Schatten weit umher verbreitete. "Hier", sagte Therese, "unter diesem
deutschen Baume will ich Ihnen die Geschichte eines deutschen Maedchens erzaehlen,
hoeren Sie mich geduldig an.
Mein Vater war ein wohlhabender Edelmann dieser Provinz, ein heiterer, klarer,
taetiger, wackrer Mann, ein zaertlicher Vater, ein redlicher Freund, ein trefflicher Wirt,
an dem ich nur den einzigen Fehler kannte, dass er gegen eine Frau zu nachsichtig
war, die ihn nicht zu schaetzen wusste. Leider muss ich das von meiner eigenen Mutter
sagen! Ihr Wesen war dem seinigen ganz entgegengesetzt. Sie war rasch,
unbestaendig, ohne Neigung weder fuer ihr Haus noch fuer mich, ihr einziges Kind;
verschwenderisch, aber schoen, geistreich, voller Talente, das Entzuecken eines
Zirkels, den sie um sich zu versammeln wusste. Freilich war ihre Gesellschaft niemals
gross oder blieb es nicht lange. Dieser Zirkel bestand meist aus Maennern, denn keine
Frau befand sich wohl neben ihr, und noch weniger konnte sie das Verdienst
irgendeines Weibes dulden. Ich glich meinem Vater an Gestalt und Gesinnungen. Wie
eine junge Ente gleich das Wasser sucht, so waren von der ersten Jugend an die
Kueche, die Vorratskammer, die Scheunen und Boeden mein Element. Die Ordnung
und Reinlichkeit des Hauses schien, selbst da ich noch spielte, mein einziger Instinkt,
mein einziges Augenmerk zu sein. Mein Vater freute sich darueber und gab meinem
kindischen Bestreben stufenweise die zweckmaessigsten Beschaeftigungen; meine
Mutter dagegen liebte mich nicht und verhehlte es keinen Augenblick.
Ich wuchs heran, mit den Jahren vermehrte sich meine Taetigkeit und die Liebe meines
Vaters zu mir. Wenn wir allein waren, auf die Felder gingen, wenn ich ihm die
Rechnungen durchsehen half, dann konnte ich ihm recht anfuehlen, wie gluecklich er
war. Wenn ich ihm in die Augen sah, so war es, als wenn ich in mich selbst
hineinsaehe, denn eben die Augen waren es, die mich ihm vollkommen aehnlich
machten. Aber nicht ebenden Mut, nicht ebenden Ausdruck behielt er in der Gegenwart
meiner Mutter; er entschuldigte mich gelind, wenn sie mich heftig und ungerecht tadelte;
er nahm sich meiner an, nicht als wenn er mich beschuetzen, sondern als wenn er
meine guten Eigenschaften nur entschuldigen koennte. So setzte er auch keiner von
ihren Neigungen Hindernisse entgegen; sie fing an, mit groesster Leidenschaft sich auf
das Schauspiel zu werfen, ein Theater ward erbauet, an Maennern fehlte es nicht von
allen Altern und Gestalten, die sich mit ihr auf der Buehne darstellten, an Frauen
hingegen mangelte es oft. Lydie, ein artiges Maedchen, das mit mir erzogen worden
war und das gleich in ihrer ersten Jugend reizend zu werden versprach, musste die
zweiten Rollen uebernehmen und eine alte Kammerfrau die Muetter und Tanten
vorstellen, indes meine Mutter sich die ersten Liebhaberinnen, Heldinnen und
Schaeferinnen aller Art vorbehielt. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie laecherlich mir
es vorkam, wenn die Menschen, die ich alle recht gut kannte, sich verkleidet hatten, da
droben standen und fuer etwas anders, als sie waren, gehalten sein wollten. Ich sah
immer nur meine Mutter und Lydien, diesen Baron und jenen Sekretaer, sie mochten
nun als Fuersten und Grafen oder als Bauern erscheinen, und ich konnte nicht
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