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das Netzwerk bestand zwischen den Rechnern der angeschlossenen
Nutzer, Zentralserver gab es nicht mehr. Innerhalb weniger Monate
entstanden Limewire, Morpheus, Audiogalaxy, Bearshare, E-Donkey,
Kazaa und andere. Der P2P-Traffic im Internet nahm nicht ab, sondern
zu.
Die Musikbranche versuchte sich mit Kopierschutzmechanismen zu
retten, die zunächst auf defekten Sektoren innerhalb der Datenoberfläche
beruhten. CDs, die mit diesen frühen Schutzfunktionen ausgestattet
waren, hatten allerdings den Schönheitsfehler, dass sie in manchen
CD-Spielern schlicht nicht liefen. Eigentlich sollten mit dem
Mechanismus nur die besonders feinfühligen Laufwerke in Rechnern
ausgetrickst werden, um das »Rippen« von CDs auf Festplatten und das
Umwandeln in MP3-Dateien zu verhindern. Doch der vermeintliche
Kopierschutz erwies sich in Autoradios, Radioweckern und anderen
Geräten de facto als Abspielschutz. Ehrliche Käufer, die für eine CD
immerhin um die 18 Euro bezahlten, fühlten sich bestraft. Illegal
gebrannte CDs oder aus dem Internet heruntergeladene Dateien
verursachten solche Probleme nicht.
Einen besonders groben Schnitzer in Sachen Kopierschutz leistete sich
Sony: Der japanische Konzern wurde gewissermaßen beim heimlichen
Verbreiten von Computerviren erwischt. Schob man eine neu gekaufte
Sony-CD ins Laufwerk eines Rechners, installierte sich tief in den
Eingeweiden des Systems eine Software, die dort fortan heimlich
schnüffelte und, schlimmer noch, ein Einfallstor für andere Viren oder
böswillige Angriffe auf das System bot. Die Staatsanwaltschaft des
US-Bundesstaats Texas strengte im November 2005 daraufhin eine
Klage gegen den Konzern an. »Konsumenten, die eine Sony-CD gekauft
haben, dachten, sie hätten Musik gekauft«, kritisierte der texanische
Justizminister Greg Abbott. »Stattdessen haben sie Spionage-Software
bekommen, die den Computer beschädigen kann, ihn für Viren anfällig
macht und den Benutzer möglichen Verbrechen aussetzt.« Sony musste
schließlich die mit dem System ausgestatteten CDs ersetzen, an die
Betroffenen Gutscheine verschenken, sich verpflichten, nie wieder so
etwas einzusetzen, und zudem Nutzern, deren Rechner durch die
Software Schaden genommen hatten, eine Entschädigung bezahlen.
Ähnlich unbeliebt waren von Anfang an Systeme des digitalen
Rechtemanagements (»Digital Rights Management«, DRM), die die
Branche erdacht hatte. Sie legten beispielsweise fest, dass ein einmal
heruntergeladener Song nur auf fünf Geräten abgespielt werden durfte.
Jedes Gerät musste dazu einzeln »autorisiert« werden, meist durch
Angabe eines Benutzernamens und eines Passworts. So wollte man
verhindern, dass digital gekaufte Songs sofort in Tauschbörsen landeten
doch das Ergebnis war eher, dass Kunden sich zweimal überlegten, ob
sie wirklich für verkrüppelte Musikdateien auch noch Geld bezahlen
sollten. Das leuchtete sogar Spitzenmanagern der Branche ein. Tim
Renner, bis Anfang 2004 Deutschlandchef von Universal Music,
begründete damit in einem Interview seinen Rücktritt: »In dem
Augenblick, in dem sich meine Verkaufsmechanik am Dieb ausrichtet
und nicht am Kunden, mache ich es dem Kunden denkbar unangenehm.
Ich behandle ihn wie einen Dieb.« Außerdem sei die Branche so sehr auf
den Aufbau des nächsten kurzlebigen »Teenie-Acts« fixiert, dass sie die
eigentliche Aufgabe, die langfristige Entwicklung und die Förderung
echter Künstler, aus den Augen verloren habe. Hier sah Renner auch den
eigentlichen Grund für die Umsatzrückgänge der Musikindustrie.
Selbstmord sei das nicht, sagte er in dem Gespräch, »es hat eher was
vom langsam zu Tode Trinken«.
Schon zuvor, im Juni 2003, hatte der Branchenverband »Recording
Industry Association of America« (RIAA) die nächste Eskalationsstufe
im Kampf gegen die eigene Kundschaft eingeleitet. Die RIAA gab
bekannt, man werde nun beginnen, Daten für Prozesse gegen
Tauschbörsennutzer zu sammeln. Verbandspräsident Cary Sherman
erklärte: »Diese Aktivität ist illegal, man ist dabei nicht anonym, und
sich darauf einzulassen kann reale Konsequenzen haben.«
Die Electronic Frontier Foundation, deren Gründer John Perry Barlow
schon in den frühen Neunzigern eine Reform der Urheberrechts
angemahnt hatte, diagnostizierte bei den »Dinosauriern der Branche«
vollständigen Realitätsverlust. Ein Anwalt der EFF erklärte, über 57
Millionen Amerikaner benutzten derzeit Filesharing-Software, »das sind
mehr Menschen, als für Präsident Bush gestimmt haben«. Wolle man die
wirklich alle vor Gericht zerren? Studien zeigten zudem, dass
Tauschbörsennutzer im Schnitt nicht weniger, sondern mehr CDs
kauften als andere Konsumenten. Sie waren Fans, die Kundschaft der
Branche, keine skrupellosen Ladendiebe. Ein Analyst des
Beratungsunternehmens Forrester Research hatte schon im September
2000 festgestellt: »Das Bedürfnis, Musik zu sammeln und flexibel zu
organisieren, persönliche Playlisten und CDs zu erstellen und sein
Lieblingslied Tausende von Malen abzuspielen, macht einen Großteil der
Anziehungskraft von Napster aus.« Die Plattenfirmen müssten
ȟberzeugende Dienste anbieten mit den Inhalten, die die Konsumenten
wollen, in den Formaten, die sie wollen, mit den Geschäftsmodellen, die
sie wollen«.
Hätten sie es doch beherzigt. Stattdessen gingen die Branchenriesen
juristisch gegen eben diese vernachlässigte Kundschaft vor. Prozesse
gegen ahnungslose Großmütter, deren Rechner von den Enkeln zum
Download missbraucht worden waren, gegen alleinerziehende Mütter
und mittellose Studenten, mit astronomischen Schadensersatzsummen
für jedes einzelne zum Download angebotene Stück: Die Musikbranche
verwandelte sich in der öffentlichen Wahrnehmung innerhalb weniger
Jahre in ein feindseliges Monstrum, eine Horde rücksichtsloser,
gewinnsüchtiger alter Männer. Ein PR-Gau folgte auf den nächsten. Und
ein konstruktives Gegenangebot zu den illegalen Tauschbörsen fehlte
noch immer. Damit gab die Musikindustrie den Teilnehmern der
Tauschbörsen eine bequeme Ausrede an die Hand: Wer einerseits so viel
Müll produziert und andererseits bis heute unnachgiebig gegen
Musikfans vorgeht, hat es einfach nicht besser verdient, als dass man ihn
bestiehlt.
Der Rechtsanwalt und Urherberrechtsexperte Gerd Hansen attestierte der
Musikbranche in einem Beitrag für einen Sammelband der
Heinrich-Böll-Stiftung eine indirekte Mitschuld am Verfall der Sitten in
Sachen Copyright: »Zwang allein wird den grassierenden
Akzeptanzverlust des Urheberrechts jedenfalls nicht abwenden können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Recht befolgt und als legitim begriffen
wird, steigt eher mit der zu fördernden Einsicht seiner Adressaten, dass
dieses Recht notwendig, sachgerecht und fair ist.«
Profit aus der bornierten Haltung der Musikverleger zog schließlich ein
Anbieter von außerhalb: Apple. Der Verkauf von iPods (die
selbstverständlich nicht zuletzt mit MP3s aus Tauschbörsen gefüllt
wurden) hatte dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits
substanzielle Umsätze beschert. Im April 2003 eröffnete Apple seinen
iTunes Store. Hier bekam man Stücke aller großen Anbieter, und
Abrechnung, Download und die Übertragung auf Rechner und
MP3-Player waren einfach und komfortabel. ITunes begann innerhalb
kürzester Zeit zu boomen. Bis heute ist es einsamer Marktführer in
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